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Geschichte der Jugendweihe

Die Jungendweihe – das ist für viele Familien heute eine Selbstverständlichkeit und ein Familienfest mit sehr hohem Stellenwert. Obwohl über die Geschichte der Jugendweihe schon viel geschrieben und die Öffentlichkeit informiert wurde, gibt es immer noch Menschen, die der Auffassung sind, dass die Jugendweihe ein sozialistisches Relikt der ehemaligen DDR sei. Diese Meinung trifft keinesfalls zu, denn die Wurzeln dieses weltlichen Rituals liegen in der Zeit der bürgerlichen Revolution vor mehr als 150 Jahren. In dieser Zeit wurden in Deutschland die Weichen für eine neue, freigeistige Bewegung gestellt. So entstanden damals in vielen Städten freie, konfessionslose Schulen, in denen die Schüler zu religionskritischen Persönlichkeiten erzogen werden sollten.

Es gab aber nur wenige Familien, die sich trauten, den von der Kirche und Obrigkeit aufgezwungenen Glauben in Zweifel zu ziehen oder gar abzulehnen. Eduard Baltzer aus der neu gegründeten Freien Gemeinde in Nordhausen, die den Machtanspruch der Kirchen ablehnte, hatte 1854 den Mut, in Abgrenzung zur Konfirmation die „Jugendweihe“ einzuführen.

Ab 1889 wurden in Berlin und 1890 in Hamburg und Erfurt die ersten weltlichen Schulentlassungsfeiern durchgeführt. Der Name „Jugendweihe“ setzte sich jedoch erst nach dem 1. Weltkrieg durch.

Eine Renaissance hatte die Jugendweihe in den Jahren zwischen dem 1. und 2. Weltkrieg, als die Freidenker in Deutschland stark waren und über eine Million Anhänger hatten. In Hochburgen von SPD und KPD beteiligten sich z. B. zwanzig Prozent aller Schulentlassenen an der Jugendweihe.

Auch in Thüringer Städten, wie Eisenach, Mühlhausen, Gotha, Jena und Weimar fanden in diesem Zeitraum Jugendweihefeiern statt, was in unseren Abbildungen und auch durch persönliches Erleben bestätigt ist.

So nahm am 25. März 1921 der inzwischen verstorbene Eisenacher Gewerkschaftsfunktionär Fritz Höpel gemeinsam mit ungefähr 20 Arbeiterkindern in Mühlhausen an der Jugendweihe teil. Doch der Frühling des freien Geistes war nicht von langer Dauer, denn die Nazis sahen in den Freidenkern ihre Kulturfeinde. 1933 wurde die Jugendweihe verboten. Nach der Befreiung vom Faschismus wurden in der sogenannten Ostzone und späteren DDR die ersten Jugendweihefeiern von den Freidenkern veranstaltet.

1954 kam es zur Bildung der Ausschüsse für Jugendweihe in den Kreisen und größeren Städten. Seit 1955 war die Jugendweihe eine Bewegung zur sozialistischen Erziehung der Jugendlichen, deren Höhepunkt im Frühjahr eines jeden Jahres das Gelöbnis der Jugendlichen des achten Schuljahres zum Arbeiter- und Bauernstaat und zum Sozialismus darstellte. In den Jugendstunden, die der feierlichen Jugendweihe-Feier vorausgingen und zur wissenschaftlichen, weltanschaulichen Erziehung und Bildung beitrugen, sollten die Teilnehmer für die Anforderungen des Lebens vorbereitet werden. Unter Mitwirkung von Gesprächspartnern aus allen gesellschaftlichen Bereichen wurde für die Jugendstunden ein festes Programm festgelegt und absolviert.

An den späteren Polytechnischen Oberschulen waren meist die stellvertretenden Direktoren für die Jugendweihe und die Zusammenarbeit mit den Ausschüssen verantwortlich.

In der DDR wurde erwartet, dass möglichst jeder an der Jugendweihe teilnahm. Sie wurde zum Verpflichtungsritual der jungen Menschen, unabhängig von religiöser Bindung, auf den sozialistischen Staat.

Kunst und Kultur des Miteinander-Lebens, die junge Menschen bewegten, wurden meist mit kompetenten Persönlichkeiten, wie Wissenschaftlern, Schriftstellern und anderen Kulturschaffenden diskutiert. In der Zeit der Vorbereitung auf die Jugendweihe gab es zahlreiche Angebote für eine sinnvolle Lebens- und Freizeitgestaltung.

Nach der Wende geriet die Jugendweihe unter einen erheblichen politischen Druck. Öffentliche Anerkennung oder gar staatliche Förderung wurden versagt. Per Kultusministerdekret wurde 1993 den Lehrern an staatlichen Schulen untersagt, weiterhin wie bisher üblich war, die Vorbereitung der Jugendweihe in den achten Klassen zu unterstützen. Bei Firmung oder Konfirmation gewährte Vorteile (wie z. B. einen Tag schulfrei) werden den Jugendweihe-Teilnehmern nicht gewährt. Gegenwärtig nehmen – je nach Region – bis zu 40 Prozent der Jugendlichen in den neuen Bundesländern freiwillig an Jugendweihen teil.

Da bis heute trotz vieler Bemühungen keine finanzielle Unterstützung von staatlicher Seite erreicht wurde, macht sich leider die Entrichtung eines Unkostenbeitrages für die Eltern der Teilnehmer erforderlich.

Für die Vorbereitung und Organisation haben sich Organisationen und Vereine gegründet, wie in unserer Region die „Jugendweihe Westthüringen e. V.“, die auf ehrenamtlicher Basis die Vorbereitung und Organisation der Jugendweihe in die Hand genommen hat. Es gibt keine Jugendstunden mehr, sondern es wird offene Jugendarbeit für Kinder & Jugendliche vorwiegend im Alter von 12 bis 16 Jahren angeboten.

Elfriede Munzert
Vereinsmitglied

Jugendweihegeschenkbücher aus unserem Archiv (seit 1954)


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